Alzheimer: So helfen Routinen bei der Orientierung

Welcher Tag ist heute? Ist es Nachmittag oder Nacht? Was machen wir jetzt?

Menschen, die an Alzheimer erkrankt sind, haben zunehmend Schwierigkeiten, sich im Alltag zurechtzufinden – zeitlich, räumlich und persönlich.

Wir erklären, warum das so ist und wie Sie als Betreuungsperson mit bekannten Routinen und Abläufen wertvolle Unterstützung leisten können.

Der Verlust der zeitlichen Orientierung – was steckt dahinter?

Probleme mit der zeitlichen Orientierung sind ein typisches Symptom, das häufig bereits im Frühstadium einer Demenz auftritt, insbesondere bei der Alzheimer-Krankheit. Ursache sind geschädigte oder verlorene Nervenzellen in Hirnbereichen, die das Gedächtnis und das Denken beeinflussen.

Wie die Demenz selbst, verläuft auch Verlust der zeitlichen Orientierung schleichend: 

  • So werden zu Beginn der Erkrankung vor allem kurz zurückliegende Ereignisse vergessen, zum Beispiel was man vor ein oder zwei Stunden gegessen oder getan hat.
  • Im weiteren Verlauf verlieren Betroffene immer mehr ihr Zeitgefühl, was dazu führen kann, dass jemand mitten in der Nacht zum Einkaufen geht oder im Juli im Wintermantel das Haus verlässt.  

Im fortgeschrittenen Stadium kommt es häufig vor, dass sich die Erkrankten in ihrer eigenen Vergangenheit wähnen. Dies liegt daran, dass das Kurzzeitgedächtnis nachlässt, während das Langzeitgedächtnis noch funktioniert. 

Typisch für solche Phasen, die im Englischen auch „time shifting“ genannt werden, ist, dass die Menschen ihr älteres Ich im Spiegel nicht mehr erkennen, mit längst verstorbenen Verwandten sprechen wollen oder nicht verstehen können, dass ihre Kinder erwachsen sind.

Dieses für Außenstehende oft befremdliche Verhalten lässt sich damit erklären, dass das Gehirn der Erkrankten versucht, sich einen Reim auf das zu machen, was um sie herum geschieht. Da diese Informationen jedoch überwiegend aus der Vergangenheit kommen, verhält man sich, als sei die Vergangenheit noch Realität, als sei man selbst noch jung, die Eltern noch am Leben und die Kinder noch klein.

Warum sind strukturierte Abläufe für Menschen mit Demenz so wichtig?

Ein strukturierter Tag mit immer gleichen Abläufen bietet Erkrankten wichtige Unterstützung dabei, sich im „Hier und Jetzt“ zurechtzufinden und sicher zu fühlen. Dies beruhigt und entspannt.

Hinzu kommt, dass verlässliche Abläufe langfristig dazu beitragen können, dass die Selbstständigkeit der Erkrankten länger erhalten bleibt: Ständig wiederkehrende Tätigkeiten, wie nach dem Frühstück die Post zu holen oder Dienstagabend nach dem Sport die schwarze Mülltonne rauszustellen können so oft noch lange selbstständig beibehalten werden.

Wichtig ist dabei, der oder dem Erkrankten die Aufgaben nicht abzunehmen. Denn auch wenn die Handgriffe vielleicht einfach sind, helfen sie, sich im Alltag zurechtzufinden und vermitteln zudem ein gutes Gefühl von „Ich kann was“.

7 Tipps für Routinen im Alltag

  1. Strukturieren Sie den Tagesablauf der erkrankten Person über bestimmte Eckpunkte, zum Beispiel über feste Zeiten für das Aufstehen, die Mahlzeiten, die Körperpflege oder das Zubettgehen. 
  2. Schauen Sie dabei individuell, welche Routinen bereits gut funktionieren, also ob jemand gerne früher oder später aufsteht oder lieber mittags oder abends gerne warm isst.
  3. Planen Sie Zeit für Schönes ein, zum Beispiel um gemeinsam einen Ausflug mit dem Auto zu machen oder essen zu gehen. Auch wenn die erkrankte Person sich daran später nicht erinnern kann, sind gemeinsame Momente wertvoll. 
  4. Machen Sie nicht zu viel an einem Tag, es ist in Ordnung, wenn Dinge länger dauern oder Sie Pausen einlegen.
  5. Achten Sie beim Zubettgehen auch auf möglichst feste Abläufe, zum Beispiel indem Sie zu einer bestimmten Uhrzeit die Vorhänge zuziehen, das Licht dimmen oder leise Musik anmachen.
  6. Trauen Sie sich, um Hilfe zu bitten, Enkelkinder kommen zum Beispiel häufig gern, um Oma oder Opa zu besuchen. Planen Sie regelmäßige Besuche oder Telefonate mit anderen Familienmitgliedern oder Freunden. Auch der Besuch einer Tagespflegeeinrichtung kann allen Beteiligten gut tun.
  7. Bleiben Sie flexibel: Je weiter die Demenz fortschreitet, desto mehr wird sich die erkrankte Person verändern. Betrachten Sie Routinen daher nie als Zwang, sondern schauen Sie, ob Sie etwas ändern oder anpassen müssen.

Traditionen und Feste beibehalten

Feste, Feiertage und Rituale, die an bestimmte Jahreszeiten gebunden sind haben für die meisten Menschen eine besondere Bedeutung und können für Erkrankte wichtige Orientierungspunkte bieten. Wer einen Menschen mit Demenz betreut, sollte daher in jedem Fall versuchen, die Traditionen und Feste weiterhin beizubehalten, die für die Erkrankte oder den Erkrankten wichtig sind, bzw. waren.

Ostern können Sie zum Beispiel gemeinsam zum Osterfeuer gehen, wenn das eine Familientradition ist oder im Herbst zum Erntedankfest. Wenn es einen religiösen Bezug gibt, bieten sich auch weitere Feste und Feiertage an.

Ist die oder der Betroffene immer gerne zur Kirmes, zum Stadtfest oder Schützenfest gegangen - dann behalten Sie diese Tradition nach Möglichkeit bei. Bieten Sie je nach Feiertag oder Fest typische Leckereien an, sorgen Sie für den passenden musikalischen Hintergrund und feiern Sie diese besonderen Tage so, wie Ihr Angehöriger oder Ihre Angehörige sie kennt.

Wichtig dabei ist, dass Sie niemanden überfordern. Wird es zum Beispiel auf einem Fest zu laut oder stressig, suchen Sie sich einen ruhigen Platz zum Sitzen oder halten Sie sich etwas abseits.

Ob Karneval, Ostern, Erntedankfest oder Weihnachten - nutzen Sie diese besonderen Tage im Jahr, um gemeinsam eine schöne Zeit miteinander zu verbringen.

Lesen Sie dazu auch unseren Ratgeber

Der Ratgeber Leben mit der Diagnose Alzheimer erläutert, was auf Menschen mit Alzheimer und ihre Familien und Freunde zukommen kann. Beleuchtet werden neben medizinischen und therapeutischen Aspekten auch pflegerische, rechtliche und finanzielle Fragestellungen.
72 Seiten, 2021

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